automation in a new dimension

Interview – „Die Zeit für Insellösungen ist vorbei“

Stephan Pies, Vertriebsleiter (Foto: Lisa Berger/futronic)

Greg Morris, Redaktion Glass International (Foto: Quartz Business Media)

Unternehmen auf der ganzen Welt beschäftigen sich intensiv mit dem Thema Digitalisierung und die Veränderungen in den Entwicklungs- und Produktionsprozessen. Das gilt natürlich auch für die industrielle Behälterglasproduktion – und damit für futronic. In einem Interview mit Greg Morris, Redakteur des Fachmagazins Glass International, erläutert Vertriebsleiter Stephan Pies, welche Rolle die Digitalisierung für die Behälterglasindustrie spielt, wo die (nicht nur) technologischen Herausforderungen liegen und die Reise schließlich hingeht.*

Herr Pies, welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach die Digitalisierung in der industriellen Behälterglasproduktion?

Die Digitalisierung in der industriellen Fertigung schreitet voran. Das gilt quer durch alle Branchen, und natürlich spielt das Thema auch für die Glasindustrie eine wichtige Rolle. Als Automatisierer beschäftigt sich natürlich auch futronic längst mit dem Thema Industrie 4.0. Hier haben wir in den vergangenen Jahren viel Know-how aufgebaut und Erfahrungen gesammelt. Das Ziel: Wir wollen in Sachen Digitaler Transformation ganz vorne mit dabei sein und zukunftsfähige Automatisierungslösungen entwickeln.

Glauben Sie, dass sich das Konzept in der Glasindustrie durchsetzt? Welchen Nutzen versprechen Sie sich davon?


Ganz klar, die Hohlglasindustrie muss sich damit auseinandersetzen und das tut sie auch. Doch während in einigen Industrien und Branchen dieses Konzept zumindest in Teilen bereits in die Praxis umgesetzt ist, stehen in der Behälterglasproduktion bis heute einzelne Maschinen und Anlagenkomponenten einer Fertigungslinie weitestgehend für sich. Die Zeit für Insellösungen aber ist vorbei; die Vernetzung von Maschinen unterschiedlicher Hersteller rückt immer mehr in den Vordergrund. Statt immer nur einzelne Maschinen oder Abläufe zu verbessern, hat man mit Industrie 4.0 den gesamte Wertschöpfungsprozess im Blick und kann ganzheitlich optimieren. Die Vorteile liegen auf der Hand: Steigerung der Energieeffizienz, Produktivität und Betriebssicherheit. Und damit der Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens.

Was bietet futronic seinen Kunden in Sachen Digitalisierung? Und was bringt es ihnen?

futronic verfolgt mit seinen Steuerungen und Antrieben ja seit jeher einen offenen Ansatz. So können unsere Systeme jeweils flexibel und individuell auf die Maschinen verschiedener Hersteller, auf die Kundenanforderungen zugeschnitten werden. Dieses Konzept hat futronic beispielsweise bei der Entwicklung der Maschinensteuerung FMT24S konsequent umgesetzt. Und natürlich basiert auch unsere Kühlofensteuerung FLC darauf. Und jetzt haben wir angefangen, diese beiden Systeme miteinander zu vernetzen. Die beiden Komponenten verfügen jeweils über eine frei konfigurierbare Ethernet-Schnittstelle, die die Anbindung der Steuerung an übergeordnete Prozessleitsysteme sowie an die FMT24S erlaubt. So können Informationen etwa zum Zustand der Anlage, zur Produktivität und zu Jobumbauten in das System einfließen – Faktoren, die wesentlich sind für die Temperaturregelung in den Kühlöfen und damit für die Qualitätssicherung. Das ist nur ein erster Schritt in Sachen Industrie 4.0, aber diesen Weg werden wir konsequent weitergehen und auch künftig vernetzte Automatisierungslösungen entwickeln.

Welchen Stellenwert hat die Digitalisierung in der Glasproduktion für futronic? Gibt es beispielsweise ein eigenes Forschungs- und Entwicklungsteam, das das Thema vorantreibt?

Ein spezielles Team, das sich ausschließlich um das Thema kümmert, haben wir aktuell nicht. Als Mittelständler können wir Investitionen in die erforderlichen Ressourcen für solch komplexe Technologien und Projekte kaum alleine stemmen. Daher arbeiten wir hier eng mit Kooperationspartnern zusammen. Und natürlich haben alle unsere Mitarbeiter in Forschung und Entwicklung das Thema bei der Entwicklung neuer Steuerungen immer im Hinterkopf. Das müssen sie auch. Das müssen alle. Ansonsten haben Neuentwicklungen kaum Chancen, am Markt zu bestehen.

Wie ist denn die futronic-Technologie, wie sind Ihre Steuerungen und Antriebe auf die Digitalisierung vorbereitet?

Die Technologie, die Hard- und Software sind ja nur das eine. Das andere ist: BigData. Die Daten, die die Systeme generieren, spielen in der Industrie 4.0 eine ganz wesentliche Rolle. Aber es geht dabei nicht um Quantität, sondern die Qualität der Daten. Also müssen wir viel intensiver darüber nachdenken, was wir damit anfangen, welche Daten dem Kunden einen echten Mehrwert bringen. Und welche Maschinen im Produktionsverbund wie von welchen Daten profitieren. Das ist die eigentliche Herausforderung bei der Entwicklung zukunftsfähiger Automatisierungslösungen. Auch hier sind wir schon auf einem guten Weg.

Wo liegt Ihrer Meinung nach der Haken der Digitalisierung? Was ist beispielsweise mit den hohen Investitionskosten? Dem Aufwand für Fort- und Weiterbildung der Maschinenbediener? Den riesigen Datenmengen?

Naja, die Datenmenge an sich ist nicht so sehr ein Problem. Aber die Daten zu ordnen, zu interpretieren und zu entscheiden, was wirklich wichtig ist und sinnvoll genutzt werden kann, das kostet natürlich Zeit und damit Geld. Das lässt sich aber weitestgehend automatisieren. Darüber hinaus hat das Thema Digitalisierung natürlich auch weiterreichende Konsequenzen etwa im personellen Bereich. So warten hier künftig Aufgaben, auf die sich die Menschen, Gesellschaft, Politik, Hochschulen und Ausbildungsbetriebe erst noch einstellen und zukunftsfähige Berufe und Jobs definieren müssen. Ich glaube ja, dass beispielsweise Maschinenbediener weiterhin notwendig sein werden. Die Frage ist nur, in welcher Zahl und mit welcher Qualifikation. Damit müssen wir uns alle beschäftigen.

Werfen Sie doch mal einen Blick in die Zukunft – wie sieht Ihrer Meinung nach eine Behälterglasfabrik in fünf bis zehn Jahren aus?

Ein paar Punkte haben wir ja schon genannt: Mit der Digitalisierung, der Industrie 4.0 und den damit einhergehenden Technologien wird die Glasproduktion energieeffizienter, produktiver und wirtschaftlicher. Und sicherer. Sicherheit spielt dabei auch eine große Rolle. Und sonst? Natürlich werden auch in unserer Branche die Maschinen- und Anlagenbauer immer flexibler auf Kundenwünsche eingehen müssen. Das gilt auch für die Glasherstellung selbst. Aber ich glaube nicht, dass beispielsweise eines Tages Einzelstücke zu den selben Kosten gefertigt werden können wie in der Serie. Ich denke, da stößt die Industrie 4.0 doch an ihre Grenzen. Aber letztlich ist es schwer zu sagen, was kommen wird. Entscheidend ist, dass wir dranbleiben, nicht abwarten, sondern die Zukunft der Automatisierung aktiv mitgestalten.

*Das Interview ist zuerst in der Februar-Ausgabe der Glass International erschienen; wir veröffentlichen den Beitrag im Wortlaut mit freundlicher Genehmigung von Quartz Business Media Ltd, Herausgeber des Fachmagazins.